Der Klimt-Blick
Auf einen Moment
Sonja Knips ist 24 Jahre alt, häufig krank, melancholisch und vermutlich auch depressiv. Ein Foto von ihr zeigt verhärmte Gesichtszüge. Ihr Ehemann fürchtet, sie werde sterben. Um sie zu verewigen, bittet er den berühmten Maler Gustav Klimt in Wien, sie zu porträtieren. Der Maler trifft sich öfter mit Sonja. Er will sie nicht nur einfach so äußerlich malen. Auch ihr Innenleben, ihre unglückliche Seele interessieren ihn. Das Bild, das dann entsteht, zeigt eine Frau in einem wunderschönen weiten rosa Tüllkleid. Über ihr sind Blumen gemalt, wie in einem himmlischen Garten. Die Porträtierte wirkt, als wolle sie sich erheben, aufbrechen in eine zarte, vitale Welt. Ihre Augen sind erwartungsfroh, dem Leben zugewandt. Es hat den Anschein, als habe Klimt die junge Frau nicht so gemalt, wie sie aussieht, sondern wie sie aussehen könnte. Wenn, ja wenn sie ihre Schwermut überwindet. Er zeigt ihr an, welches Potenzial in ihr liegt. Das Bild hängt fortan im Esszimmer der Familie Knips. Sonja hat es täglich angeschaut. Zehn Jahre später entsteht wieder ein Foto von ihr. Sie ist gegenüber dem früheren Foto wie verwandelt, wirkt lebensfroh, aufgeweckt. Hat ihr das Porträt gezeigt, wie viel Positives in ihr schlummert? Wissenschaftlich erwiesen ist: Wenn wir einen Menschen mit seinen positiven Anlagen sehen und ihm das sagen, helfen wir ihm sehr, diese Anlagen zu entwickeln. Mehr Klimt-Blick wäre gut!
Mit besten Wünschen
Felix Leibrock, Geschäftsführer, Pfarrer, Autor