Einen Moment bitte
Opas Stern
Der kleine Anton fährt mit seinem Opa in die Stadt. Der Junge soll sich im Spielwarengeschäft umschauen. Vielleicht, so sagt sich der Opa, begeistert er sich für etwas, das dann, für Anton auf wundersame Weise, an Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum liegt.
Anton begutachtet Ritterschwerter und Legokästen, Feuerwehrautos und Hubschrauber. Das sind schon tolle Sachen dabei. Aber so ein absoluter Favorit lässt sich nicht ausmachen. Auf dem Rückweg, es ist dunkel geworden, gehen sie über ein Feld. Anton bleibt stehen, schaut mit offenem Mund zum Himmel.
„Schau mal, Opa, wie schön der Himmel ist.“
„Ja, voller Sterne.“
„Opa, da waren schöne Sachen im Geschäft. Aber zu Weihnachten wünsche ich mir einen Stern.“
Der Opa schweigt. Einen Stern, wie soll er den Anton schenken?
„Einen Stern“, fährt der Junge fort, „zu dem kann ich immer hochschauen. Weißt du, von meinem Bett aus sehe ich den Himmel. Da denke ich oft, wenn ich so einen Stern hätte, dann könnte ich dem vor dem Einschlafen immer winken. Und er leuchtet zu mir herunter.“
Sich einen Stern wünschen. Das tun viele von uns. Der Stern heißt dann Versöhnung in der Familie. Oder Frieden auf Erden. Oder Gesundheit. Irgendetwas, das in unsere Sorgen hineinleuchtet. Sie aufhellt. Uns sagt: Gib nicht auf! Deine Rettung ist nah. Eure Rettung ist nah.
Vor gut zweitausend Jahren haben viele auf so eine Rettung gehofft. Die soziale Not war groß. Die Abgaben, die Zölle trieben viele in die Armut. Die politische Situation war ungewiss. Die Angst vor Gewalt, vor Verfolgung, vor Krieg allgegenwärtig. Nirgendwo ein Funken Hoffnung. Da entscheidet sich Gott, selbst in die Welt zu kommen. Noch mal: Gott entscheidet sich, in die Welt zu kommen. In einem schlichten Stall, in Kälte und Not. Durch Jesus von Nazareth, Sohn eines Zimmermanns und zugleich Gottes Sohn. Mit diesem kargen Geburtsort stellt sich Gott an die Seite derer, deren Seele auch karg und verloren ist. Aber das ist deswegen kein regionales Stallevent. Das zeigt der helle Stern, der über Raum und Zeit hinweg für alle Ewigkeit über dem Stall und der Krippe leuchtet. Der Stern von Bethlehem.
An Heiligabend findet Anton unter dem Weihnachtsbaum Geschenke von den Eltern, der Patentante, der Oma. Auch eine Papierrolle liegt da. Anton kann noch nicht lesen. Seine Mutter liest ihm vor, was auf der Rolle steht. Es ist eine Urkunde. Ihm gehört demnach jetzt ein Stern. Anton freut sich, vergisst die Urkunde aber bald wieder. Später besucht er die Schule, geht zum Studium, wird Ingenieur. Viele Brüche hat das Leben für ihn bereitgehalten. Die Ehe kaputt, mit seiner Firma gescheitert, jetzt eine beunruhigende Diagnose bei der Ärztin. Als sein Opa stirbt, kommt er zur Trauerfeier in seine Heimat zurück. Am Abend nach der Trauerfeier betritt er sein altes Kinderzimmer. Er öffnet die Schubladen des Schreibtischs. Dann sieht er sie, die Urkunde.
Der Stern, der meinem Enkel Anton hiermit geschenkt wird, ist der Stern von Bethlehem. Der Stern leuchtet über dem Ort, wo die Welt neu begonnen hat. Möge er dir, Anton, den Weg durchs Leben leuchten. Dein Opa
Anton staunt. Was für ein großes Geschenk hat ihm der Opa damals bereitet. Er ist sicher: Der Stern leuchtet jetzt auch für seinen Opa. Und auch in sein angegriffenes Leben. Irgendwo. Ganz hell.
Gesegnete Weihnachten
Ihr
Felix Leibrock
P.S.: Mit dieser Nachricht endet die Tradition der Rundbriefe aus dem Evangelischen Bildungswerk München e.V. Sie werden auf anderen Kanälen von uns hören. Vielleicht begegnen wir uns auch in einem Gottesdienst. Ich vertrete gerne Kolleginnen und Kollegen. felix.leibrock@ebw-muenchen.de